Deutsch-Dänisches Verhalten: Eine Kurzgeschichte
Die dänisch-deutsche Beziehungen sind sehr hoher Alter. Die Dänen sind schon immer [ausser eine Periode mit slavischer Einwanderung in Norddeutschland im Frühmittelalter] mit den Deutschen unmittelbar benachbart gewesen. Die Einstellungen der Dänen gegenüber den Deutschen haben sich in der Geschichte gewechselt, je nach der großpolitischen Lage Dänemarks.
1. Vor dem Nationalismus
Bis zur Mitte des 19. Jahrh. waren die dänisch-deutsche Beziehungen ziemlich Gut, besonders die offiziellen Beziehungen. Seit ung. 1700 war Deutsch die Muttersprache der Königen Dänemarks, und die dänische Aussenpolitik wurde von der sog. Deutschen Kanzlei in Kopenhagen geführt. Die Herzogstümer Slesvig und Holsten waren dem deutschen Kaiserreich untertan, weshalb der König Dänemarks als Herzog dieser Provinzen gleichzeitig ein Vasall der deutschen Kaiser war. Deutsche Reisenden in Dänemark der 1820-er Jahren berichteten, dass alle Dänen, ob in Dorf oder Stadt, so gute deutsche Sprachkentnisse hatten, dass man sich gleich wie zuhause fühlte.
Am Ende dieser Periode wurden die allgemeineuropäischen
nationalistischen Strömungen immer stärker, und dänische
Nationalisten wollten Slesvig in Dänemark eingliedern und Holsten
als selbständiges Herzogstum liegenbleiben lassen. Die Holstener, die
seit dem Mittelalter verdeutscht waren, bevorzogen jedoch mit Sleswig ewig
ungedeelt
zu
bleiben.
2. Dänisches Mißvertrauen 1848-1864
Ab 1848 folgte eine Periode von dänischer Mißvertrauen an die Absichten der Deutschen, besonders der Deutschen in den Herzogstümern Slesvig-Holsten, weil sie in 1848 ihren Aufstand getan hatten (Erster schleswiger Krieg 1848-1850). Die Holstener waren sehr unzufrieden. Dänisch setzte sich als Amts- und Hofsprache durch. Puristen fingen an, deutsche und deutschklingende Wörter und Wendungen durch einheimischen zu verdringen: "Fødselsdag" statt "Geburtsdag", "forelsket" statt "forliebt", ("verliebt"), "Fattigdom" statt "Armod" ("Armut"), "ond" statt "bøs" ("böse"), "træt" statt "mødig" ("müde"), etc.
3. Die nationale Katastrophe 1864
Um alle deutsche Länder zu vereinigen brauchte der preußische Kanzler Bismarck einen kleinen Krieg mit nationalen Zielen. Er sah in der zugespitzten Lage in Slesvig-Holsten eine ideale Gelegenheit: Dänemark war seit den Napoleonskriegen dezimiert geworden (Verlust von Norwegen), hatte ein Zusammenbruch der Ökonomie erlebt (1815), welches lange Spüren im gesellschaftlichen Leben gezogen hatte. Allerdings hatte er gute erfahrungen mit der Einstellung der deutschen im Norden und Süden von Altona (die damalige Grenzstadt); der krieg in 1848-1852 war in den deutschen Ländern populär gewesen, und viele freiwillige waren von Süden aus geströmt um ihren Brüdern in Holstein beizustehen. Preußen, der jahrhundertelange Freund Dänmarks, erklärte in 1864 Krieg zusammen mit Österreich gegen Dänemark. Die Kampfhandlungen dauerten nicht viele Monate. Die Deutschen hatten gewonnen zwei Herzogstümer wurden eingegliedert [nach einem kleinen Krieg mit Österreich], und deutschland war vereinigt. Die Vortsetzung ist allen Deutschen bekannt (Kaiserreich, Krieg gegen Frankreich u.s.w.).
Für Dänemark wurde das Ergebniß des Zweitem schleswischen Kriege in 1864 eine nationale Katastrophe. Mit dem Verlust der Herzogstümern an die deutschen und österreichischen Kaiserreiche waren die politischen Beziehungen kritisch, besonders in der Bevölkerung. Trotzdem war Deutsch immer noch die erste Fremdsprache, und man fuhr immer noch bis zum Ersten Weltkrieg nach Deutschland als Naver (Gesell) oder Intellektuell um neues zu Erfahren. D.h. die Dänen hatten verstanden, dass nicht alle Deutschen böse sind, sondern nur ihre Politiker.
4. 1920: Die Wiedervereinigung
In 1920 wurde Nordschleswig nach einem Referendum in drei Zonen in Slesvig mit Dänemark wieder vereinigt (Holsten wollten die Dänen [zwar alle Dänen] schon nie als echt dänisch betrachten), und die offiziellen Beziehungen erleichterten sich. Aber die Restbevölkerungen von Dänisch- und Deutschgesinnten (präg dir das ein: in den Grenzgebieten, d.h. in Slesvig, spricht keiner von "Dänen" oder "Deutschen", sondern von "Dänisch-" bzw. "Deutschgesinnten") auf beiden Seiten der Grenze lebten nicht wohl genug. Deutschgesinnten in Nordslesvig wurden diskriminiert sowie die Dänischgesinnten in 1864-1920 diskriminiert geworden war. Offiziellen Einstellungen waren deshalb immer noch skeptisch.
5. 1940-1945: Besetzung Dänemarks vom Dritten Reich
Als das Dritte Reich eine deutsch-nationale Konstruktion war, wurde deutsch mit nazistisch, übles und böses gleichgestellt. Die Besetzung in von 9. April 1940 bis 5. Mai 1945 ergründete die negativen Einstellungen zu den Deutschen, die bei fast allen Dänen, die vor 1946 geboren sind, vertreten sind. Englisch wurde in 1945 als erste pflichtige Fremdsprache in die Schulen eingeführt (Deutsch behielt jedoch die zweite Stelle ab siebtem Schuljahr). Der deutsch-dänische Vertrag von 1955 mit einer Lösung der Slesvig-Holstenische Frage half nicht diese Einstellung ab (Westdeutschland sicherte sich jedoch damit den Eintritt in NATO und UN).
6. 1945-: Langsame Abschwächerung der negativen Einstellungen.
Nur mit neuen Generationen konnte die Furcht und negativen Einstellungen zu den ehemalingen Erobern verschwinden. Jedoch wurde es schwehr: In den EU-Debatten vor den Referenda in 1972 (EG-Eintritt), 1986 (Binnenmarkt), 1992 (Maastricht-Vertrag: Europäische Union), 1993 (Edinburg-Vertrag: Europäische Union minus 4), 1996, 2000 (Monetäre Union), wurde Deutschland ab und zu als Sinnbild des "Böses aus Europa" von den Gegnern verwendet -- nicht offiziell in den geschriebenen Materialien und Reden, sondern auf frühen Posters und in Gesprächen von vielen älteren Gegnern. Der Kampf gegen die EU wurde mit dem Kampf gegen die nazistischen Besetzern in 1940-1945 gleichgesetzt. "Was Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg nicht verwirklichen konnte, verwirklicht Deutschland jetzt durch die EU."
Jede dänische Schule ist verpflichtet, Deutschunterricht zu erbieten; jeder Schüler ist seit der Mitte der 1970-er Jahren jedoch nicht verpflichtet dieses Angebot zu ausnützen.
Beispiele
Wenn man Gesprächen in den spitzigen Cafés
in Kopenhagen zuhört, ist die häufigst erwähnte Stadtnahme
(ausser Kopenhagen) London
.
In der zweitgrößten Stadt Aarhus spricht
man immer von Kopenhagen
.
Jetzt, als ich nicht mehr in diesen Städten
wohne, kommen Nahmen wie Flensburg
und Hamburg
öfter in unseren Kneipen
in Mitt-Jütland vor. Sicher öfter, je südlicher man fährt.
In Silkeborg (Mittjütland), wo ich jetzt wohne, liegt der Blaue Avis für Schleswig-Holstein und für Hamburg in grossen Haufen zum Verkauf auf dem Bahnhof (undenkbar in Kopenhagen), auch im Winter, wenn es keine Touristen gibt.
Erik Thau-Knudsen
2005-12-01 (dieser Text wurde ursprünglich in 2001-2004 geschrieben. Die Datierung gält der letzten Redaktion)